Freitag, 15. Juni 2012

„I hau ui gar it gsea!”


„Ich hab’ sie überhaupt nicht gesehen“

Dieser Ausspruch ist bei Liegeradlern/innen, Trikern/innen und Velomobilisten/innen hinlänglich bekannt.
In den letzten Jahrzehnten als „Aufrechtradler“ ist er mir nie zu Ohren gekommen – bis heute.
Mit dem Fitnessrad auf einer „freitags-frei – Tour“.
Nach ca. 20 km in einer, am Hang liegenden Ortschaft.
Ansteigende Straße in einer Siedlung.
Mit ca. 10 – 15 km/h unterwegs.
Plötzlich etwas „Dunkles“ vor mir.
Und dann?
Ich sehe keine Straße mehr, sondern strahlend blauen Himmel.
Erster Gedanke: Das war’s jetzt mit dir.
Zweiter Gedanke: Erst einmal so bleiben und sich sammeln.
Aha, du liegst mit dem Rücken auf der Straße?
Dein rechter Ellenborgen schmerzt?
Deine rechte Hüfte tut weh?
Dein rechter Oberschenkel fühlt sich an, wie wahnsinniger Muskelkater?
Das Fahrrad liegt schräg links von mir, auf der anderen Straßenseite.
Wie zum ….., kann so ´was sein?
Dann die sonore Stimme, eines Einheimischen von rechts hinten:
„I hau ui gar it gsea!” (Übersetzung: siehe oben)
Dritter Gedanke: Gott sei Dank, du bist nicht allein.
Ich versuch mich, über die nicht schmerzende linke Körperseite aufzurappeln.
Ein etwas älterer Herr (im Rentenalter?) kommt, um mir aufzuhelfen.
Ein blaues Auto steht halb auf der Straße – von einer Garageneinfahrt kommend.
Eine Dame, im ebenfalls fortgeschrittenen Alter hält sich, etwas bedröppelt dreinschauend an der geöffneten Beifahrertür fest und meinte: Sie sei völlig fertig und zittere am ganzen Leib.
Vierter Gedanke: Ui(!) ein Auto hat dir die Straße unter den Reifen weggezogen.
Fünfter Gedanke: Erst `mal ganz ruhig bleiben und weitere Reaktionen abwarten.
Sechster Gedanke: Körperfunktionen testen und schauen ob irgendwelche sichtbaren Blessuren an Haut oder Kleidung auszumachen sind:
Bewegungsapparat ist einigermaßen funktionstüchtig, vom Ellenbogen rinnt Blut in kleinen Bächlein den Unterarm hinunter, aber ansonsten wurden anscheinend keine weiteren Stellen an der Haut geöffnet.
Dann die erste Frage, meines „AusdemSattelschuppser“:
„Brauch mr an Krankawaga?“ (Brauchen wir (sie) einen Krankenwagen)
Ich entgegnete: „Glaub nicht.“
Einer, jetzt dazugekommenen Bewohnerin des Hauses (Tochter / Schwiegertocher?) wird aufgetragen: Waschzeug, Verbandszeug und Schreibzeug zu bringen.
Frau „Aufgelöst“ hat Fragen über Fragen: Brauchen wir doch einen Arzt, sollen wir sie nach Hause fahren, möchten sie etwas trinken, wollen sie sich vielleicht hinlegen, sollen wir jemanden verständigen um sie abzuholen, möchten sie einen Kaffee, wo tut’s überall weh, ist etwas gebrochen?
Nach der Erstversorgung und dem Datenaustausch kam nun der technische Check:
Bis auf ein paar Kratzspuren auf der rechten Fahrradseite (Lenkergriff, Pedal und Gepäckträger) sind keine Beschädigungen oder Verformungen erkennbar, auch Fahren klappt geräuschlos und Schalten funktioniert ebenfalls.
Erst jetzt sah ich (wurde noch von niemandem sonst erkannt) eine größere Delle am linken Kotflügel des Verursacherautos (stand nun auch wieder vollständig rückwärts in der Einfahrt?)
(Schon übersetzte) Aussage des Fahrer: „Die war vorher noch nicht.“
Wie kommt es dazu?
Eine komplett unübersichtliche Ausfahrt – keine Sicht des Autofahrers nach links möglich (von da komme ich), wegen einer leichten Kurve und Gartenmauer mit Hecke. Entweder ist jemand zu „Rauswinken“ nötig oder bis zur Sichtlinie vorfahren – und das ist diesmal schon zu weit!
Jetzt komme ja schon ich und wir treffen uns.
Vermutlich hab’ ich „Etwas“ wahrgenommen, was nicht hier her gehört – reiß den Lenker nach links und knall mit Hüfte und Oberschenkel gegen die vordere linke Ecke des Autos.
Ich werde ausgehebelt, lande anscheinend zunächst auf der Motorhaube (keine Ahnung) und lieg schließlich, vor dem Auto auf der Fahrbahn.
Frage von Frau an Mann: „Wie ist er runtergekommen?“
Antwort: „Er hat sich abgerollt“ (ich denke: Wie im Film?)
Es ist auf Grund der Umstände doch eine entspannte Atmosphäre:
Kein Gezeter, keine Beschimpfungen und gegenseitige Schuldzuweisungen
(sie sind viel zu schnell gefahren – hätte von seiner Seite kommen können).
Nach geschätzten zwei Dutzend Entschuldigungen setzte ich mein Vorhaben um und radelte, zwar unter Schmerzen, noch die restlichen 70 km zu Ende.
Zuhause dann die zweite Diagnose: Ellenbogengelenk blutet an mehreren Stellen und ist erheblich geschwollen, rechter Oberschenkel schmerzt beim Gehen, vom Hüftgelenk bis zum Knie, die Innenseite des rechten Knie’s ist blutunterlaufen – vermutlich „Kuss“ vom Oberrohr. Der Fahrradhelm weist keine Kratzer oder gar Beschädigungen auf
– offenbar hab’ ich mich gekonnt abgerollt.
Aber sonst geht es Pedalo gut.


Nachtrag:

So sah die Straße aus meiner Fahrradfahrersicht aus.
Rechts hinter der Hecke tauchte das Auto auf.














Blick aus der Gegenrichtung - links ist die Ausfahrt zu erkennen
- ein Wunder, dass bis jetzt noch nicht mehr passiert ist, bei der Sicht!


















Die Kniekehle (die Hüfte und der rechte äußere Oberschenkel waren noch dunkler):













Der Ellenbogen:





































Der Kotflügel des Verursacherautos













 und die Motorhaube hat auf noch eine kleine Delle.


PS: Pedalo wurde mit Scor zum "Wiedergutmachungskaffee" eingeladen ;-)



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